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Versorgungsmedizinische Grundsätze

GdB-Tabelle nach der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV)
Schwerbehinderung und Schwerbehindertenausweis



Hessisches Landesarbeitsgericht 10. Kammer
08.11.2024
10 SLa 391/24
Juris


1. Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich gehalten, den Arbeitgeber binnen einer Frist von drei Wochen seit Ausspruch der Kündigung über einen Sonderkündigungsschutz nach § 168 SGB IX zu unterrichten, ansonsten ist dieser verwirkt.

2. Der Arbeitnehmer hat kein Wahlrecht, ob er bei einem beM seinen Hausarzt oder den Betriebsarzt hinzuziehen will. Hat der Arbeitnehmer grundsätzlich sein Einverständnis zu der Durchführung eines bEM erteilt, sieht § 167 Abs. 2 Satz 3 SGB IX nicht vor, dass der Betriebsarzt nur nach einer gesonderten Einwilligung - wie bei der Beteiligung des Betriebsrats oder der Schwerbehindertenvertretung nach § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX - hinzugezogen werden dürfte.

3. Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn nach § 615 BGB, weil es die Arbeitgeberin unterlassen hat, ihm eine bestimmte, aus seiner Sicht leidensgerechte Beschäftigung zuzuweisen. Dem Arbeitnehmer steht in solch einem Fall aber evtl. ein Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB zu, weil die Arbeitgeberin aus ihrer Fürsorgepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB gehalten sein konnte, von ihrem Direktionsrecht Gebrauch zu machen, um eine leidensgerechte Beschäftigung zu ermöglichen. Ein solcher Schadensersatzanspruch kann nach § 254 Abs. 1 BGB wegen eines überwiegenden Verschuldens des Arbeitnehmers ausgeschlossen sein, wenn sich die Arbeitgeberin lediglich an einen Weiterbeschäftigungstitel gehalten hat, den der Arbeitnehmer in einem Vorprozess erstritten hat.

4. Es spricht viel dafür, dass § 6 Abs 2 S 2 SchwbAwV keine Ermessensvorschrift ist, sondern ein reines "Kompetenz-Kann" zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung normiert.


Tatbestand

Die Klägerin, die am xx.xx. 1968 geboren ist, war seit dem 1. August 1988 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags datierend vom gleichen Tag bei der Beklagten in der Pumpenmontage als Montagehelferin beschäftigt. Sie ist verheiratet und hat ein Kind.

ie Beklagte ist ein Produktionsunternehmen mit Sitz in A, bei dem mehr als 10 Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigt werden. Ein Betriebsrat ist gebildet.

unächst arbeitete die Klägerin in der Produktion. Die Tätigkeit einer Montagehelferin besteht darin, gestapelte Behälter mit Produktionsteilen auf einen Tisch zu heben und die Teile zu sortieren. Dabei ist auch schweres Heben erforderlich.

ie Klägerin wies bei der Arbeit in der Produktion hohe Fehlzeiten wegen Rückenbeschwerden auf. In dem Zeitraum 2003 bis 2007 wies sie bereits stets mehr als 100 Tage Fehlzeiten auf. In einem Vorverfahren vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden - 1 Ca 1828/07 - ist ein Sachverständigengutachten eingeholt worden zu der Frage der Prognose der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin (Bl. 225 ff. der Akte erster Instanz = Vorakte). Der Gutachter B stellte am 5. März 2009 darin einerseits fest, dass es bei der Klägerin keine Hinweise auf ein organisch bedingtes Rückenleiden gebe, er gab andererseits gleichwohl die Empfehlung, Zwangshaltungen sowie das Heben und Tragen von mehr als 10 bis 15 kg zu vermeiden.

eit dem 4. Januar 2010 war die Klägerin als Qualitätskontrolleurin der Abteilung Wareneingangskontrolle eingesetzt. Die Tätigkeit einer Wareneingangskontrolleurin hat zum Inhalt, Qualitätsprüfungen vorzunehmen und zu dokumentieren.

n den vergangenen Jahren war die Klägerin wie folgt arbeitsunfähig erkrankt:

2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 krank-heitsbe-bedingte Fehlzei-ten 60 89 227 161 195 105 153 210 283 durchg. 210 110 davon mit Entgelt-fortzah-lung 60 89 171 75 17 105 125 82 156 82 42 18

ie Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28. Juli 2021 aus krankheitsbedingten Gründen. Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat dem Kündigungsschutzantrag in einem Vorverfahren mit Urteil vom 6. April 2022 - 11 Ca 566/21 - stattgegeben. Auf Antrag der Klägerin ist im dortigen Verfahren die Beklagte verurteilt worden, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als Montagehelferin weiter zu beschäftigen. Dieses Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.

it Schreiben vom 9. Juni 2022 forderte die Beklagte die Klägerin zu Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil auf, am 13. Juni 2022 um 8.30 Uhr zur Arbeit zu erscheinen. Am 13. Juni 2022 erschien sie nach dem erfolgreichen Kündigungsschutzverfahren wieder an dem Arbeitsplatz. Zunächst absolvierte sie eine Schulung. Ihr war die Arbeit in der Produktion als Montagehelferin - wie im Titel vorgesehen - zugewiesen worden.

Zwischen den Beteiligten entwickelte sich einer Korrespondenz über die Frage, in welcher Art und Weise die Klägerin angemessen zu beschäftigen sei. Mit Schreiben vom 21. Juli 2022 forderte die Arbeitgeberin die Klägerin auf, gemäß dem titulierten Weiterbeschäftigungsanspruch ihre Tätigkeit im Betrieb wiederaufzunehmen. Die Klägerin sollte hierbei ihren Arbeitsplatz am 25. Juli 2022 wiederaufnehmen. Wegen des Nichterscheinens am 27. Juli 2022 erteilte die Arbeitgeberin eine Abmahnung (Bl. 26 der Vorakte).

Am 1. August 2022 erschien die Klägerin wieder am Arbeitsplatz. Sie erhielt eine Abmahnung mit Schreiben vom 1. August 2022, weil sei erst um 8:20 Uhr erschienen ist (Bl. 27 der Vorakte). Eine weitere Abmahnung vom gleichen Tag erhielt sie, weil sie mit Straßenschuhen den Hygienebereich betreten hat (Bl. 28 der Vorakte); unstreitig hatte sie vergessen, Überschuhe vorher anzuziehen.

Die Klägerin legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 3. August bis 15. August 2022 vor. Ab dem 3. August 2022 war die Klägerin erneut arbeitsunfähig erkrankt mit Entgeltfortzahlung bis zum 13. September 2022. Die Klägerin wurde bis Ende des Jahres nicht wieder gesund und erschien nicht am Arbeitsplatz.

Mit Antrag vom 9. August 2022 hat die Klägerin im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ihre Beschäftigung in der Wareneingangskontrolle begehrt. Das Verfahren bleib in beiden Instanzen erfolglos. Mit Urteil vom 4. November 2022 - 10 SaGa 1382/22 - hat das Hessische Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 16. November 2022 leitete die Beklagte ein (erneutes) betriebliches Eingliederungsmanagementverfahren (bEM) ein (Bl. 50 bis 60 der Vorakte). Am 29. November 2022 kam es zu einem Erstgespräch zwischen den Parteien. Die Klägerin merkte hierzu an, dass sie überwiegend im Sitzen arbeiten müsse und nicht mehr als 5 kg heben könne. Hieraufhin reichte die Klägerin ein Attest vom 19. Dezember 2022 ein, wonach sie leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen ausführen sollte und nicht mehr als 5 kg heben sollte (vgl. Bl. 60 der Vorakte).

Die Klägerin war dann weiterhin arbeitsunfähig erkrankt ab dem 1. Januar 2023 bis zunächst dem 2. April 2023. Am 6. Januar 2023 kam es zu einer Einladung zu einem weiteren Gespräch. Die Parteien vereinbarten insoweit eine Wiedereingliederung ab dem 14. Februar 2023 mit einem Arbeitsplatz Handmontage Schutzkappen, kein Heben und ständiges Sitzen. Hierzu sollte die Klägerin einen Wiedereingliederungsplan durch ihre Ärzte vorlegen. Mit Schreiben vom 22. Februar 2023 erinnerte die Beklagte die Klägerin an die Rückmeldung bezüglich der Wiedereingliederung. Die Klägerin legte anschließend mit Schreiben vom 7. März/ 13. März 2023 einen Wiedereingliederungsplan vor (Bl. 167 ff. der Vorakte). Mit E-Mail vom 8. März 2023 teilte die Klägerin mit, dass sie den Arbeitsplatz in der Montage, in der sie ab diesem Zeitpunkt zur Wiedereingliederung eingesetzt werden sollte, als leidensgerecht ansehe (Bl. 72 der Vorakte).

Mit Schreiben vom 13. März 2023 ist die Klägerin aufgefordert worden, zur Spätschicht zu erscheinen (vgl. Bl. 169 der Vorakte). Insoweit forderte die Arbeitgeberin die Klägerin auf, am 3. April 2023 zur Spätschicht (Beginn 14 Uhr) zu erscheinen und sich bei Schichtbeginn zu melden. Bis zum 30. April 2023 absolvierte die Klägerin die Wiedereingliederung. In der Produktion wird bei der Beklagten in einem Schichtsystem (Früh-, Spät- und Nachtschicht im Wechsel) gearbeitet. In der Nachtschicht wurde die Klägerin - unstreitig - nicht eingesetzt.

Mit ärztlicher Bescheinigung vom 11. Mai 2023 teilte die Klägerin mit, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, im Schichtdienst zu arbeiten (Bl. 172 der Vorakte).

Vom 2. Mai 2023 bis zum 15. Mai 2023 arbeitete die Klägerin in der Montageabmeldung und war anschließend vom 16. Mai 2023 bis zum 2. Juni 2023 erneut arbeitsunfähig erkrankt mit Entgeltfortzahlung. Die Kliniken des C haben am 19. Mai 2023 bescheinigt, dass die Klägerin in der Zeit vom 16. bis zum 19. Mai 2023 sich in stationärer Behandlung befand (Bl. 245 der Vorakte).

Mit Schreiben vom 23. Mai 2023 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung an. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird verwiesen auf Bl. 68 bis 70 der Vorakte. Als Anlage war die Betriebsratsanhörung vom 16. Juli 2021 zu der vorausgegangenen Kündigung beigefügt (Bl. 73 - 77 der Vorakte). Mit Schreiben vom 30. Mai 2023 hat der Betriebsrat zu dieser Kündigung Stellung genommen und dieser widersprochen (vgl. Bl. 68 ff. der Vorakte).

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis sodann mit Schreiben vom 30. Mai 2023 (Bl. 67 der Vorakte) aus personenbedingten Gründen zum 31. Dezember 2023. Hiergegen hat die Klägerin Kündigungsschutzklage gemäß Schriftsatz vom 13. Juni 2023 erhoben.

Die Klägerin hat einen Antrag auf Gleichstellung bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt. Durch Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 13. Oktober 2023 (Bl. 242 - 243 der Vorakte) ist die Klägerin mit Wirkung ab dem 1. Januar 2023 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt worden.

Hinsichtlich der streitigen Tatsachenbehauptungen und der Rechtsmeinungen der Parteien wird nach § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts verwiesen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Mitarbeiterin in der Wareneingangskontrolle zu beschäftigen,

hilfsweise,

1a) sie als Qualitätskontrolleurin in der Wareneingangsabteilung im Wesentlichen mit folgenden Tätigkeiten zu beschäftigen:

§ Handmontage von Baugruppen zur Vorbereitung von Prüfungen;

§ Durchführung von Prüfung entsprechend der Vorgabedokumentation

§ Visuelle Kontrolle am Mikroskop der angelieferten Ware gemäß der aktuell gültigen Verfahrensanweisung

§ Anlernen neuer Mitarbeitenden

§ GMP-konformes Führen der Prüfdokumente

§ Bedienen von Messgeräten (Messschieber und Messuhr) und Prüfmaschinen (Projektor, Druckluftpistolen mit Manometer) nach entsprechender Einweisung

§ Kontrolle von Zukaufteilen gemäß Spezifikation und Prüfplan.

2. festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, im Schichtbetrieb zu arbeiten und ihre tägliche Arbeitszeit von 07.00 Uhr bis 15.30 Uhr beträgt;

3. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnungen vom 25. Juli 2022 und vom 01. August 2022 (hier zwei Abmahnungen vom selben Tag), also insgesamt drei Abmahnungen, aus der Personalakte zu entfernen und zu erklären, dass die zugrundeliegenden Vorwürfe nicht mehr aufrechterhalten werden;

4. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.306,00 EUR brutto zu zahlen nebst 4 % Zinsen über 1.000,00 EUR seit dem 01. April 2022, über 306,00 EUR seit dem 30. Juni 2022 und über 2.000,00 EUR seit dem 31. Juli 2022;

5. festzustellen, dass die Beklagte an sie für die aus den rechtswidrigen Arbeitsanweisungen vom 13. Juni 2022, vom 21. Juni 2022 bis zum 27. Juni 2022 und vom 01. und 02. August 2022 erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen schadensersatzpflichtig ist;

6. festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. Mai 2023 nicht

zum 31. Dezember 2023 endet sowie dass das Anstellungsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31. Dezember 2023 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 13. März 2024 - 2 Ca 338/23 - die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigungsschutzklage sei unbegründet, da die ordentliche krankheitsbedingte Kündigung vom 30. Mai 2023 das Arbeitsverhältnis zum Ende des Jahres 2023 beendet habe. Aufgrund der Fehlzeiten in der Vergangenheit sei von einer negativen Krankheitsprognose auszugehen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sämtliche Leiden ausgeheilt seien. Insbesondere der Verdacht einer Herzerkrankung und eine Erkrankung Diabetes Typ 2 dauerten typischerweise länger an. Anhand des Sachvortrags der Klägerin sei nicht nachzuvollziehen, welche Krankheiten ausgeheilt und welche Therapien erfolgreich verlaufen seien. Es gebe auch kein milderes Mittel gegenüber der Beendigungskündigung. Die Arbeitgeberin habe seit November 2022 ordnungsgemäß ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt. Dieses habe darin gemündet, ab dem 3. April 2023 eine Wiedereingliederungsmaßnahme durchzuführen. Im Anschluss an diese Wiedereingliederung habe sich die Klägerin umgehend erneut krankgemeldet. Dies rechtfertige die negative Prognose. Sie sei auch leidensgerecht - und zwar auch im Schichtbetrieb - eingesetzt worden. Der Betriebsrat sei auch ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung angehört worden. Die Kündigung sei auch nicht mangels Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung oder des Integrationsamtes unwirksam. Zwar gebe es einen Bescheid vom 13. Oktober 2023, wonach sie ab dem 30. Januar 2023 einer schwerbehinderten Person gleichgestellt sei. Diesen Bescheid hat die Klägerin allerdings erstmals bei Gericht am 10. November 2023 vorgelegt. Sie hätte allerdings den Arbeitgeber innerhalb von drei Wochen nach Ausspruch der Kündigung von der Schwerbehinderung bzw. dem Antrag auf Gleichstellung in Kenntnis setzen müssen. Die Anträge auf Entfernung der Abmahnungen und auf Beschäftigung fielen nicht mehr an, da das Arbeitsverhältnis beendet worden sei.

Die Klägerin könne nicht Zahlung von 3.306 Euro für den Zeitraum vom 28. Juni bis zum 31. Juli 2022 verlangen. Der Anspruch ergebe sich nicht aus § 615 BGB, da es die Klägerin jedenfalls böswillig unterlassen habe, der zumutbaren anderweitigen Tätigkeit der Arbeit als Montagehelferin im Betrieb der Beklagten nachzukommen. Sie habe auch keinen Anspruch auf Zahlung einer Corona-Prämie in Höhe von 1.000 Euro. Nach dem Vortrag der Arbeitgeberin sei die Prämie nur an solche Arbeitnehmer auszuzahlen gewesen, die in den Zeitraum vom 1. März 2021 bis zum 28. Februar 2022 tatsächlich auch gearbeitet hätten. Dies sei im Fall der Klägerin nicht der Fall gewesen. Schließlich habe sie auch keinen Anspruch auf Feststellung, dass ihr ein Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten zusteht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Urteils ersten Instanz wird Bezug genommen auf Bl. 301 - 312 der Vorakte.

Dieses Urteil ist der Klägerin 19. März 2024 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist am 19. April 2024 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21. Juni 2024 ist die Berufungsbegründung am 21. Juni 2024 bei dem Berufungsgericht eingegangen.

In der Berufungsbegründung vertritt die Klägerin die Auffassung, dass das Arbeitsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen habe. Sie rügt, dass die Beklagte vorschnell gekündigt habe. Der Arbeitgeber müsse dem neuen Arbeitsplatz eine Chance geben, wenn im bEM-Verfahren die Kausalität zwischen den Anforderungen des alten Arbeitsplatzes und den heutigen Kurzerkrankungen geklärt worden sei, spreche eine Vermutung dafür, dass andere Arbeitsunfähigkeitszeiten auf dem neuen Arbeitsplatz eine andere Ursache haben müssten. Die von der Klägerin erlittene Erkrankung sei vorgetragen worden. Sie sei am 16. Mai 2023 mit Verdacht auf einen Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert worden. Dort wurde auch eine Diabetes Typ 2 festgestellt. Die Klägerin sei dann geheilt entlassen worden. Sie sei ab dem 2. Juni 2023 wieder gesund und arbeitsfähig. Das Arbeitsgericht habe die Anforderungen an die Darlegungslast eines Arbeitnehmers überspannt, indem diese Ausführungen als nicht genügend angesehen worden sind.

Die Klägerin rügt auch, dass das bEM-Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Sie sei anfangs nicht darauf hingewiesen, dass sie auf die Hinzuziehung des Betriebsrats verzichten und die benötigten arbeitsmedizinischen Angaben auch über einen anderen Arzt ihres Vertrauens habe erbringen können. In dem Einladungsschreiben sei vielmehr festgelegt, dass - falls erforderlich - die Werksärztin (Frau D) dem bEM-Team angehört. Eine Ablehnung der Werksärztin durch die Klägerin sei nicht möglich gewesen. Außerdem habe sie nur das von der Beklagten benannte Mitglied des Betriebsrats Herr E hinzuziehen dürfen.

Die Klägerin meint ferner, dass auch die Anhörung des Betriebsrats vom 23. Mai 2023 fehlerhaft sei. Darin seien keine genauen Arbeitsunfähigkeitszeiten mitgeteilt worden, sondern im Wesentlichen nur auf eine vorherige Anhörung verwiesen worden. Die Fehlzeiten in 2022 bis zum April 2023 seien nicht mitgeteilt worden. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass der Betriebsratsvorsitzende Teil des bEM-Teams gewesen und über die Umstände informiert gewesen sei. Herr E könne nicht einfach Informationen aus dem bEM-Prozess an Dritte weitergeben.

Es könne nicht nachvollzogen werden, welche Dreiwochenfrist das Gericht im Zusammenhang mit § 168 SGB IX zugrunde legen möchte. Die Arbeitgeberin sei über den Antrag auf Gleichstellung durch ihre Beteiligung im Verfahren bei der Bundesagentur für Arbeit in Kenntnis gesetzt worden.

Sie meint auch, dass sie in dem Schriftsatz vom 10. November 2023 sämtliche Ursachen genannt habe, die den häufigen Kurzerkrankungen zugrunde gelegen hätten. Sie sei damit ihrer Darlegungslast im Prozess nachgekommen.

Sie sei seit 13 Jahren auf dem Arbeitsplatz in der Qualitätskontrolle beschäftigt gewesen. Es könne nicht sein, dass die Arbeitgeberin jetzt auf den Arbeitsplatz in der Montage wieder beharre, obwohl dies erkennbar ihrer Fürsorgepflicht widerspreche. Dadurch fühle sie sich auch schikaniert. Durch die Anordnung der Tätigkeit in der Produktion habe die Arbeitgeberin jedenfalls nicht wirksam ihr Direktionsrecht nach § 106 GewO ausgeübt, da diese „Rückversetzung“ billigem Ermessen nicht standhalte. Sie sei auch krankheitsbedingt nicht in der Lage, im Schichtbetrieb zu arbeiten. Die Frage stelle sich auch nur bei einer Tätigkeit in der Produktion. Könnte sie wieder in der Wareneingangskontrolle arbeiten, wäre für diesen Arbeitsplatz ohnehin kein Schichtbetrieb vorgesehen.

Aus dem gleichen Grund habe sie auch Anspruch auf Annahmeverzugslohn ab dem 28. Juni 2022. Die Beklagte habe gewusst, dass die Tätigkeit in der Montage mit schwerem Heben verbunden ist, was ihre Gesundheit beeinträchtigen würde.

Auch der Anspruch auf eine Corona-Prämie sei zu Unrecht abgewiesen worden. Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass die Prämie nur an Mitarbeiter ausgezahlt wurde, die tatsächlich anwesend gewesen seien.

Sie habe auch dem Grunde nach ein Anspruch auf einen Schadensersatz. Die Beklagte hat die Klägerin in Kenntnis ihrer Beeinträchtigung, insbesondere, dass sie keine Lasten über 5 kg heben sollte, in die Produktion eingesetzt, in der sie diesen Anforderungen gerade ausgesetzt war. Die dahinterstehende Absicht sei offensichtlich; die Klägerin, die ihren Kündigungsschutzprozess gewonnen hatte, sollte entmutigt werden und durch den erwarteten Ausfall hätten weitere „Argumente“ für die behauptete fehlende Tauglichkeit der Klägerin gesammelt werden können.

Die Klägerin stellt die Anträge,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 13. März 2024 - 2 Ca 338/23 -

1. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Mitarbeiterin in der Wareneingangskontrolle zu beschäftigen,

hilfsweise,

1a) sie als Qualitätskontrolleurin in der Wareneingangsabteilung im Wesentlichen mit folgenden Tätigkeiten zu beschäftigen:

§ Handmontage von Baugruppen zur Vorbereitung von Prüfungen;

§ Durchführung von Prüfung entsprechend der Vorgabedokumentation

§ Visuelle Kontrolle am Mikroskop der angelieferten Ware gemäß der aktuell gültigen Verfahrensanweisung

§ Anlernen neuer Mitarbeitenden

§ GMP-konformes Führen der Prüfdokumente

§ Bedienen von Messgeräten (Messschieber und Messuhr) und Prüfmaschinen (Projektor, Druckluftpistolen mit Manometer) nach entsprechender Einweisung

§ Kontrolle von Zukaufteilen gemäß Spezifikation und Prüfplan.

2. festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, im Schichtbetrieb zu arbeiten und ihre tägliche Arbeitszeit von 07.00 Uhr bis 15.30 Uhr beträgt;

3. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnungen vom 25. Juli 2022 und vom 01. August 2022 (hier zwei Abmahnungen vom selben Tag), also insgesamt drei Abmahnungen, aus der Personalakte zu entfernen und zu erklären, dass die zugrundeliegenden Vorwürfe nicht mehr aufrechterhalten werden;

4. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.306,00 EUR brutto zu zahlen nebst 4 % Zinsen über 1.000,00 EUR seit dem 01. April 2022, über 306,00 EUR seit dem 30. Juni 2022 und über 2.000,00 EUR seit dem 31. Juli 2022;

5. festzustellen, dass die Beklagte an sie für die aus den rechtswidrigen Arbeitsanweisungen vom 13. Juni 2022, vom 21. Juni 2022 bis zum 27. Juni 2022 und vom 01. und 02. August 2022 erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen schadensersatzpflichtig ist;

6. festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. Mai 2023 nicht zum 31. Dezember 2023 endet sowie dass das Anstellungsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31. Dezember 2023 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte stellt den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und meint, das Arbeitsgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres Sachvortrags aus der ersten Instanz ist sie der Auffassung, dass sie sehr wohl auf den Gesundheitszustand der Klägerin ausreichend Rücksicht genommen habe. Sie verweist darauf, dass die Klägerin in den vorangegangenen Verfahren ihre Weiterbeschäftigung in der Produktion beantragt habe. Mit E-Mail vom 8. März 2023 habe sie selbst mitgeteilt, dass sie den neuen Arbeitsplatz - in der Montage - als leidensgerecht ansähe. Bei den Attesten der Dres. F und G handele es sich um Gefälligkeitsatteste. Das Arbeitsgericht sei zu Recht von einer negativen Prognose ausgegangen, die Beklagte habe nicht ausreichend dargetan, dass die Leiden ausgeheilt seien. Das Arbeitsgericht habe weiter zutreffend ausgeführt, dass die Fehlzeiten vom 16.05. bis 02.06.2023, d.h. nur zwei Wochen nach Abschluss der Wiedereingliederung, die Negativprognose stützen. Sie bestreitet, dass die Diabetes und die Herzerkrankung ausgeheilt seien. Außerdem müsse sich die Klägerin auch entgegenhalten lassen, dass sie selbst auf ihrem „Wunscharbeitsplatz“ in der alten Wareneingangskontrolle in den Jahren 2009 bis 2022 ganz erhebliche Fehlzeiten angehäuft hat, z.B. das gesamte Kalenderjahr 2021.

Die Beklagte habe auch ordnungsgemäß das bEM-Verfahren durchgeführt. Der Arbeitnehmerin müsse nur in Bezug auf die Interessenvertretung, also den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung, die Möglichkeit eingeräumt werden, deren Anwesenheit „abzuwählen“. Ihr habe auch die Möglichkeit offen gestanden, weitere Teilnehmer am Verfahren zu benennen. Hätte die Klägerin es gewollt, so hätte sie also Herrn E abwählen können und ein oder mehrere andere, ihr genehme Betriebsratsmitglieder als „weitere Teilnehmer“ hinzuziehen können. Die Klägerin hätte auch ihre Allgemeinmediziner Dres. F und G als „weitere Teilnehmer“ hinzuziehen können. An dem beM-Gespräch habe schließlich auch die Tochter von ihr teilgenommen.

Sie vertritt ferner die Ansicht, dass auch die Anhörung des Betriebsrats ordnungsgemäß erfolgt sei. Einer nochmaligen Information bedürfe es nicht, wenn der Betriebsrat ohnehin über die Umstände in Kenntnis gesetzt war. Genauso habe es hier gelegen. Schließlich sei der BR-Vorsitzende Herr E unstreitig Mitglied des bEM-Teams und habe damit insbesondere über umfassende Kenntnis der Fehlzeiten der Klägerin verfügt. Da die Fehlzeiten der Klägerin ohnehin in einem exorbitanten Rahmen lagen, komme es auf die genaue Darstellung auch nicht an. Sie meint, dass es auch keine Verschwiegenheitspflichten zugunsten der Klägerin gegeben habe. Aus § 79 Abs. 1 Satz 3 BetrVG folge, dass eine Geheimhaltungspflicht nicht gegenüber anderen Mitgliedern der gleichen Interessenvertretung gelte.

Auch verstoße die Kündigung nicht gegen § 168 SGB IX. Die Klägerin habe erst mit Schriftsatz vom 10. November 2023 vorgetragen, dass sie durch Bescheid vom 13. Oktober 2023 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt worden sei. Die Klägerin habe noch immer keinen Nachweis für die angebliche Gleichstellung, die sie mit Nichtwissen bestreitet, vorgelegt. Auch während des bEM-Verfahrens habe die Klägerin das Gleichstellungsverfahren nicht erwähnt. Die Agentur für Arbeit habe sich in dem Verfahren auch nicht an die Arbeitgeberin gewandt.

Die Klägerin sei auch im Bereich der Wareneingangskontrolle wegen fehlender freier Plätze und stark gewandelter und sie überfordernder Aufgaben nicht mehr einsetzbar. Sie habe auch keine beachtlichen Gründe vorgetragen, warum sie nicht mehr im Schichtbetrieb eingesetzt werden könne. Als einzige Mitarbeiterin der Beklagten in der Produktion arbeite nur die weibliche Vertrauensperson des Betriebsrats, Frau H, nicht im Schichtbetrieb.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend Bezug genommen auf sämtliche gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Es ist von einer negativen Gesundheitsprognose auszugehen. Daran ändern auch die Angriffe in der Berufung nichts. Ein zumutbarer freier leidensgerechter Arbeitsplatz kommt nicht in Betracht. Auch die Zahlungsanträge bleiben ohne Erfolg.

A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist als Bestandsschutzstreitigkeit sowie vom Wert her unproblematisch statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 Buchst. b und c ArbGG). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 519 ZPO, 66 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. ArbGG) sowie innerhalb der bis zum 21. Juni 2024 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch rechtzeitig begründet worden (§ 66 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., Abs. 1 Satz 5 ArbGG).

B. Die Berufung ist unbegründet.

I. Die Kündigungsschutzklage gegen die ordentliche krankheitsbedingte Kündigung vom 30. Mai 2023 ist unbegründet. Die Kündigung ist nicht sozialwidrig i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG.

1. Die Kündigung ist nicht wegen mangelhafter Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Gemäß Satz 2 der Bestimmung hat ihm der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine Kündigung ist dabei nach Satz 3 der Regelung nicht erst unwirksam, wenn eine Unterrichtung ganz unterblieben ist, sondern schon dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist (vgl. BAG 22. September 2016 - 2 AZR 700/15 - Rn. 25, NZA 2017, 684). Der notwendige Inhalt der Unterrichtung gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG richtet sich nach Sinn und Zweck der Anhörung. Dieser besteht darin, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht, d.h. ggf. zugunsten des Arbeitnehmers auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers einzuwirken. Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen und sich über sie eine eigene Meinung bilden können. Die Anhörung soll dem Betriebsrat nicht die selbständige - objektive - Überprüfung der rechtlichen Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung, sondern ggf. eine Einflussnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen (vgl. BAG 22. September 2016 - 2 AZR 700/15 - Rn. 25, NZA 2017, 684).

Der Inhalt der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist deshalb grundsätzlich subjektiv determiniert. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt unterbreitet. Schildert er dem Betriebsrat bewusst einen solchen irreführenden Kündigungssachverhalt, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann, ist die Anhörung unzureichend und die Kündigung unwirksam (vgl. BAG 22. September 2016 - 2 AZR 700/15 - Rn. 26, NZA 2017, 684).

b) Die Betriebsratsanhörung ist nach diesen Maßstäben hier ordnungsgemäß erfolgt.

Mit Schreiben vom 23. Mai 2023 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu der beabsichtigten ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung an. Das Anhörungsschreiben enthält die Sozialdaten der Klägerin sowie die Kündigungsfrist von sieben Monaten. Auf anderthalb Seiten wird beschrieben, dass mit der Klägerin im Jahr 2022 ein bEM-Gespräch gestartet worden sei, welches zu einer Wiedereingliederungsmaßnahme geführt hat. Diese Maßnahme sei am 3. April 2023 gestartet worden, dennoch sei die Klägerin nach nur 10 Arbeitstagen erneut arbeitsunfähig gewesen. Ferner hat sich die Arbeitgeberin auf die Ausführungen in der letzten Kündigungsanhörung vom 16. Juli 2021 (Anl. 2) bezogen. In dieser besagten Betriebsratsanhörung aus dem Jahr 2021 sind die Krankheitszeiten der Klägerin in dem Zeitraum 2014 bis 2021 aufgeführt.

Die Klägerin rügt in diesem Zusammenhang unzutreffend, dass die genauen Fehlzeiten der Klägerin - insbesondere in den Jahren 2022/2023 - nicht im Einzelnen aufgeführt worden sind. Für das Jahr 2023 findet sich in der Betriebsratsanhörung die Darstellung des aus Sicht der Arbeitgeberin gescheiterten Wiedereingliederungsversuches in der 1. Jahreshälfte 2023. Die Kündigung ist bereits mit Schreiben vom 30. Mai 2023 erfolgt. Es bleibt der Gesichtspunkt, dass sich der Betriebsratsanhörung, auch unter Einschluss der vorangegangenen Betriebsratsanhörung vom 16. Juli 2021 nicht genau entnehmen lässt, wie die Fehlzeiten im Jahr 2022 gewesen sind. Hierauf kommt es allerdings entscheidungserheblich nicht an. Aus Sicht der Arbeitgeberin war der zugrunde zu legende Kündigungsgrund, dass die Wiedereingliederung gescheitert ist und dass die Klägerin in dem Zeitraum zuvor regelmäßig sehr hohe Fehlzeiten aufgewiesen hat. In dem Zeitraum zwischen 2014 und 2021 waren dies enorme Fehlzeiten. Auf die genauen Umstände das Jahr 2022 betreffend kommt es für den Kündigungsentschluss nicht mehr entscheidend an. Kündigungsgrund ist letztlich nicht die genaue Anzahl der Fehltage in einem Kalenderjahr, sondern die negative Prognose. In der Betriebsratsanhörung heißt es im vorletzten Absatz, dass die Klägerin nicht gewillt sei, ihren arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen und sich die Situation hinsichtlich der vermeintlich krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit in den letzten neun Jahren dramatisch verschärft habe und eine Besserung für die Zukunft ausgeschlossen werden könne. Damit hat sich die Arbeitgeberin gerade auch auf die hohen Fehlzeiten nicht nur im Jahr 2022, sondern insgesamt der letzten Jahre bezogen. Die daraus abgeleitete negative Prognose stellt den subjektiven Kündigungsentschluss der Beklagten dar.

c) Die Kündigung ist auch nicht unter Verletzung der einwöchigen Frist nach § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ausgesprochen worden. Mit Schreiben vom 30. Mai 2023 hat der Betriebsrat zu dieser Kündigung Stellung genommen und dieser widersprochen (vgl. Bl. 68 ff. der Vorakte). Die Erklärung des Betriebsrats, dass er die Zustimmung nach Anhörung der Klägerin nicht erteile, weil nach deren Angaben die derzeitige Krankheit auf einen Notfall zurückzuführen sei, stellt erkennbar eine abschließende Stellungnahme dar. In einem solchen Fall ist der Arbeitgeber frei, schon vor Ablauf der einwöchigen Frist die Kündigung auszusprechen. Das Kündigungsschreiben datiert vom 30. Mai 2023 und ist nach eigenen Angaben am Nachmittag des Tages im Briefkasten der Klägerin zugegangen. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass - entgegen aller Wahrscheinlichkeit - der Zugang erfolgt sein soll, bevor die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats an dem Tag erfolgt ist.

2. Die Kündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Zustimmung des Integrationsamts nach § 168 SGB IX fehlte. Zwar konnte sich die Klägerin grundsätzlich auf den Sonderkündigungsschutz berufen, da sie den Antrag auf Gleichstellung länger als drei Wochen vor Ausspruch der Kündigung gestellt hat. Sie hat es aber versäumt, die Beklagte von diesem Umstand binnen einer Frist von ebenfalls drei Wochen zu informieren.

a) Nach § 168 SGB IX, der zu den zugunsten schwerbehinderter Menschen getroffenen Verfahrensbestimmungen gehört, bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Diese Bestimmung findet - ebenso wie alle anderen Bestimmungen des Teils 3 des SGB IX - nach § 151 Abs. 1 SGB IX auch auf gleichgestellte behinderte Menschen Anwendung (vgl. BAG 2. Juni 2022 - 8 AZR 191/21 - Rn. 33, NZA 2022, 1461).

Nach § 173 Abs. 3 SGB IX findet u.a. § 168 SGB IX keine Anwendung, wenn zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist (Alt. 1) oder das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des § 152 Abs. 1 Satz 3 SGB IX eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte (Alt. 2). § 173 Abs. 3 SGB IX gilt nicht nur für schwerbehinderte Menschen, sondern auch für ihnen gleichgestellte behinderte Menschen. Das Eingreifen des Sonderkündigungsschutzes setzt damit grundsätzlich voraus, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung entweder die Schwerbehinderung bereits festgestellt (oder eine Gleichstellung erfolgt) ist oder die Stellung des Antrags auf Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch (bzw. auf Gleichstellung) mindestens drei Wochen zurückliegt (vgl. BAG 2. Juni 2022 - 8 AZR 191/21 - Rn. 35, NZA 2022, 1461).

Die Gleichstellung ist im vorliegenden Fall nicht bereits im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 30. Mai 2023 erfolgt. Allerdings hatte die Klägerin den Antrag auf Gleichstellung länger als drei Wochen vor Ausspruch der Kündigung gestellt. Die rückwirkende Feststellung der Gleichstellung ist gemäß § 151 Abs. 2 Satz 2 SGB IX bis zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags des Arbeitnehmers zulässig. Deshalb kann aus dem Bescheid auch entnommen werden, dass der Antrag der Klägerin auf Gleichstellung bereits vom 30. Januar 2023 datiert.

b) Grundsätzlich ist das Eingreifen des Sonderkündigungsschutzes unabhängig von der Kenntnis des Arbeitgebers. Um jedoch eine übermäßige Belastung des Arbeitgebers für den Fall zu vermeiden, dass der schwerbehinderte Mensch erst zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt seine Schwerbehinderung offenbart, muss der Arbeitgeber nach Zugang der Kündigung innerhalb einer angemessenen Frist den Arbeitgeber von der Schwerbehinderung in Kenntnis setzen. Entsprechendes gilt für die Gleichstellung oder mindestens für die beantragte Gleichstellung. Es gilt dabei die Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG (vgl. ErfK/Rolfs 24. Aufl. § 168 Rn. 6 ff; KR/Gallner 13. Aufl. § 168 SGB IX Rn. 19; APS/Vossen 7. Aufl. § 168 SGB IX Rn. 15 ff.), d.h. der Arbeitnehmer muss den Arbeitgeber innerhalb von drei Wochen seit Ausspruch der Kündigung über den Sonderkündigungsschutz informieren. Ansonsten ist der Sonderkündigungsschutz nach § 242 BGB verwirkt.

Mit dem Schriftsatz vom 13. Juni 2023, mit dem die Klägerin Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 30. Mai 2023 erhoben hat, hat sie sich nicht darauf berufen, einen (potentiellen) Sonderkündigungsschutz nach § 168 SGB IX zu haben, weil sie einen Antrag auf Gleichstellung gestellt hat. Bereits mit Schriftsatz vom 9. August 2022 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zwar § 164 SGB IX angeführt, um einen Anspruch auf leidensgerechte Beschäftigung zu untermauern. Das reicht aber nicht aus, um sich auf den Sonderkündigungsschutz ausreichend konkret zu beziehen. Zu dem damaligen Zeitpunkt war der (wohl erneute) Antrag auf Gleichstellung bei der Bundesagentur für Arbeit noch nicht gestellt. Die Klägerin hat hier erst mit Schriftsatz vom 10. November 2023 vorgetragen, dass sie durch Bescheid vom 13. Oktober 2023 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt worden sei. Dies war verspätet.

3. Die Kündigung ist auch nicht mangels Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX unwirksam. Auch hier ist entscheidend, dass der Beklagten die Gleichstellung im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht bekannt war und die Klägerin auf den Sonderkündigungsschutz nicht wenigstens innerhalb der dreiwöchigen Frist hingewiesen hat (vgl. ErfK/Rolfs 24. Aufl. § 178 SGB IX Rn. 8).

4. Die Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG liegen vor. Dies hat das Arbeitsgericht mit Recht zugrunde gelegt. Die in der Rechtsmittelinstanz hiergegen erhobenen Rügen greifen nicht durch.

a) Es ist zunächst eine negative Gesundheitsprognose zugrunde zu legen.

aa) Im Kündigungszeitpunkt müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung sprechen - erste Stufe (vgl. BAG 25. April 2018 - 2 AZR 6/18 - Rn. 19, NZA 2018, 1056; BAG 23. Januar 2014 – 2 AZR 582/13 – Rn. 27, NZA 2014, 962). Kündigungsgrund ist im Falle häufiger Kurzerkrankungen - wie im Fall einer lang andauernden Erkrankung - nicht die Erkrankung als solche, sondern die negative Gesundheitsprognose und eine daraus resultierende erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen. Sie kann sowohl auf einer einheitlichen Krankheitsursache als auch auf unterschiedlichen prognosefähigen Erkrankungen beruhen. Die verschiedenen Erkrankungen können den Schluss auf eine dauerhafte Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers zulassen und damit eine negative Prognose begründen (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24, NZA 2006, 655). Dies gilt allerdings nicht, wenn die Krankheiten ausgeheilt sind (vgl. BAG 7. November 2002 – 2 AZR 599/01 – Rn. 30, AP Nr. 40 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit). Es ist ein Prognosezeitraum von drei Jahren - gerechnet bis zum Beginn der Betriebsratsanhörung - zugrunde zu legen (BAG 25. April 2018 - 2 AZR 6/18 - Rn. 23, NZA 2018, 1056).

Bei einer negativen Indizwirkung hat der Arbeitnehmer gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen ist, wobei er seiner prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann genügt, wenn er die Behauptungen des Arbeitgebers nicht nur bestreitet, sondern seinerseits vorträgt, die ihn behandelnden Ärzte hätten die gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 20, NZA 2006, 655).

Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten - den Angaben des Klägers zufolge - auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhten. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert (vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 20, NZA 2015, 612; BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 26, NZA 2006, 655; LAG Köln 18. Mai 2007 - 11 Sa 632/06 - Rn. 63, Juris). Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen - etwa Erkältungen - ausgeheilt sind. Der Wegfall einzelner Erkrankungen stellt nämlich eine generelle Anfälligkeit nicht infrage. Anders verhält es sich mit Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen. Sie lassen eine Prognose für die zukünftige Entwicklung ebenso wenig zu wie Erkrankungen, gegen die erfolgreich besondere Therapiemaßnahmen (z.B. eine Operation) ergriffen wurden (vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 20, NZA 2015, 612).

bb) Nach diesen Grundsätzen ist hier eine negative Prognose gerechtfertigt.

(1) Die Arbeitgeberin ist zunächst ihrer Darlegungslast auf der ersten Stufe nachgekommen, indem sie die Fehlzeiten der vergangenen Jahre aufführte und daraus schlussfolgerte, dass auch in den kommenden Jahren von erheblichen Krankheitszeiten auszugehen sei. Die Fehlzeiten der Klägerin beliefen sich zuletzt wie folgt: 2018: 153 Fehltage; 2019: 210 Fehltage; 2020: 283 Fehltage; 2021: 365 Fehltage; 2022: 210 Fehltage.

(2) Die negative Prognose, die aufgrund der Fehlzeiten indiziert wird, hat die Klägerin im Prozess nicht ausreichend entkräftet.

Die Klägerin hat durch ihren Prozessbevollmächtigten zu den Krankheiten und Ursachen gemäß Schriftsatz vom 10. November 2023, dort vor allem ab Seite 11, Stellung genommen. Die Einlassungen sind teilweise lückenhaft, teilweise unsubstantiiert und betreffend teilweise keinen entscheidungserheblichen Zeitraum. Der Folgerung der Klägerin, dass sie gesund sei und keine negative Prognose zu stellen sei, kann deshalb nicht beigepflichtet werden. Die negative Prognose, die die Arbeitgeberin behauptet hat, ist nach § 138 Abs. 2, 3 ZPO nicht ausreichend bestritten worden.

Soweit die Klägerin Ausführungen zu einem Wegeunfall am 3. Dezember 2015 macht, liegt dies neben der Sache. Für die negative Prognose kommt es eher auf die letzten Jahre vor Ausspruch der Kündigung an. Für das Jahr 2017 lässt sich die Klägerin teilweise ein und verweist darauf, dass ein Myom an der Gebärmutter festgestellt worden sei. Damit hat sie aber nichts dazu vorgetragen, welche Ursache der Arbeitsunfähigkeit vom 5. bis zum 13. Dezember 2017 zugrundegelegen hat.

Für das Jahr 2018 macht die Klägerin geltend, dass sie eine Depression erlitten habe, da ihre Schwester schwer erkrankt sei und später verstarb. Da der Anruf aus Italien erst am 22. Mai 2018 kam, hat die Klägerin nichts dazu erklärt, weshalb sie in der Zeit vom 10. Januar bis zum 19. Februar 2018 arbeitsunfähig erkrankt war.

Nach eigenen Angaben der Klägerin habe die Depression Mitte 2019 mit hohen Blutdruck und Atemnot endgültig Krankheitswert erlangt, sie sei erst ab Dezember 2020 wieder gesund und belastbar gewesen. Sie erwähnt in diesem Kontext noch eine Handverletzung vom 14. November 2018. Ferner wird eine Gehirnerschütterung mit Schädelprellung erwähnt, die einen stationären Aufenthalt im Klinikum I im August 2019 zur Folge hatte. Diese drei Krankheitsursachen vermögen allerdings die hohen Fehlzeiten in den Jahren 2018 bis 2020 nicht hinreichend zu erklären. Im Jahr 2018 leistete die Beklagte Entgeltfortzahlung für 125 Tage. Wenn hier die Ursache der Depression, ausgelöst durch den Tod der Schwester, im Vordergrund gestanden hätte, handelte es sich um eine Fortsetzungserkrankung, die es nicht rechtfertigen würde, mehrere Erstbescheinigungen auszustellen. Entsprechendes gilt für die erwähnte Gehirnerschütterung und die Handverletzung. Im Jahr 2019 leistete die Arbeitgeberin für 82 Tage Entgeltfortzahlung und im Jahr 2020 praktisch ein halbes Jahr vom 2. Januar bis zum 14. Juni 2020.

Auch für das Jahr 2021 sind die Angaben lückenhaft und letztlich nicht nachzuvollziehen. In diesem Kalenderjahr war die Klägerin durchgehend arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Nach Ihren Angaben habe Sie am 22. Juli 2021 eine Coronaerkrankung mit schweren Krankheitsverlauf erlitten. Andererseits sei die Depression ab Dezember 2020 weg gewesen. Aus welchem Grunde die Klägerin dann in der ersten Hälfte 2021 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war, wird nicht mitgeteilt.

Nach Angaben der Klägerin sei der Arbeitsunfähigkeitszeitraum zum 31. Dezember 2021 beendet gewesen. Gemeint ist damit wohl, dass die Coronaerkrankung ausgeheilt war. Gleichwohl war die Klägerin auch im Jahr 2022 vom 1. Januar bis zum 28. Februar 2022 arbeitsunfähig krankgeschrieben, insgesamt an 210 Tagen in dem Jahr. Zu dem Kalenderjahr 2022 fehlen vollständig inhaltliche Angaben zu Krankheiten und Ursachen der Fehlzeiten.

Auch im Kalenderjahr 2023 war die Klägerin wiederholt arbeitsunfähig, bis zu ihrer Freistellung fehlte sie 110 Tagen. Durch die Bescheinigung des Klinikums J steht fest, dass die Klägerin stationär vom 16. bis 19. Mai 2023 im Krankenhaus aufgenommen war. Dabei habe sich herausgestellt, dass sie eine Erkrankung des Typs Diabetes 2 hat, ferner gab es den Verdacht auf eine kardiologische Erkrankung, der im Krankenhaus allerdings ausgeräumt werden konnte.

Neben dem Umstand, dass die Klägerin sich nicht hinreichend zu den Ursachen der Fehlzeiten und dem Ausheilen der Erkrankungen geäußert hat, ergeben sich aus der Akte durchaus auch Anhaltspunkte, die für eine negative Prognose sprechen. Die Klägerin ist infolge der Depression über einen sehr langen Zeitraum ausgefallen. Dass sie sich (erfolgreich) einer Psychotherapie unterzogen hat, wird nicht vorgetragen. Typischerweise handelt es sich um eine Erkrankung, die über einen langen Zeitraum gehen kann. Das Gleiche gilt für die Erkrankung der Diabetes. Hinzu kommen Rückenbeschwerden. Aufgrund des von der Klägerin vorgelegten Gutachtens des B (Bl. 225 ff. der Vorakte) steht fest, dass die Klägerin nach einem Bandscheibenvorfall über mehrere Jahre auch Rückenbeschwerden (Lumbalsyndrom) hatte. All das zusammen genommen spricht eher gegen eine günstige Krankheitsprognose. In diesem Sinne kann auch der erfolgreiche Antrag der Klägerin auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen verstanden werden. Wäre die Klägerin wieder voll belastbar und gesund, wie sie es in dem Prozess darzustellen versucht, würde sich nicht erklären, weshalb die Bundesagentur für Arbeit sie einem schwerbehinderten Menschen gleichstellt.

Das Gericht musste auch keinen Beweis erheben. Es ist weder ein Sachverständigengutachten einzuholen noch die behandelnden Ärzte als Zeugen zu vernehmen. Beweis ist erst zu erheben, wenn auch das Bestreiten der Klägerin in Bezug auf die negative Gesundheitsprognose als erheblich angesehen werden kann. Dies ist im vorliegenden Fall aus den oben genannten Gründen allerdings nicht gegeben.

b) Auch die zweite Stufe der Prüfung bei einer krankheitsbedingten Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen kann die Arbeitgeberin überwinden. Zum einen liegen erhebliche wirtschaftliche Belastungen durch die Fehlzeiten des Klägers vor, zum anderen können die Fehlzeiten auch nicht durch andere Maßnahmen als die Kündigung, wie z.B. eine Versetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz, abgewendet werden. Die Kündigung erweist sich damit auch als verhältnismäßiges Mittel.

aa) Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer solchen Beeinträchtigung führen - sog. zweite Stufe (vgl. BAG 25. April 2018 - 2 AZR 6/18 - Rn. 19, NZA 2018, 1056).

Im vorliegenden Fall sind in den vergangenen fünf Jahren erhebliche Entgeltfortzahlungskosten im Krankheitsfall angefallen, die jeweils mehr als sechs Wochen im Jahr ausmachten.

bb) Eine anderweitige leidensgerechte Beschäftigung ist hier nicht möglich. Eine Verschärfung der Darlegungslast auf Seiten der Beklagten trat hier nicht deshalb ein, weil diese nicht ihren Pflichten in Bezug auf § 167 Abs. 2 SGB IX nachgekommen ist.

(1) Der Arbeitgeber, der für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann sich zwar im Kündigungsschutzprozess grundsätzlich zunächst auf die Behauptung beschränken, für den Arbeitnehmer bestehe keine andere - seinem Gesundheitszustand entsprechende - Beschäftigungsmöglichkeit. War der Arbeitgeber jedoch gemäß § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zur Durchführung eines bEM verpflichtet und ist er dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, ist er darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass auch ein bEM nicht dazu hätte beitragen können, neuerlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Die Durchführung eines bEM ist zwar nicht selbst ein milderes Mittel gegenüber der Kündigung. § 167 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe eines bEM können mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkannt und entwickelt werden (vgl. BAG 15. Dezember 2022 - 2 AZR 162/22 - Rn. 14, NJW 2023, 1233). Der Arbeitgeber hat grundsätzlich ein neuerliches bEM durchzuführen, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines bEM erneut länger als sechs Wochen durchgängig oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war (vgl. BAG 18. November 2021 - 2 AZR 138/21 - Rn. 23, NJW 2022, 889).

Hat der Arbeitgeber nicht gänzlich davon abgesehen, ein bEM anzubieten, sind ihm dabei oder bei der weiteren Durchführung aber Fehler unterlaufen, ist für den Umfang seiner Darlegungslast von Bedeutung, ob der Fehler Einfluss auf die Möglichkeit hatte oder hätte haben können, Maßnahmen zu identifizieren, die zu einer relevanten Reduktion der Arbeitsunfähigkeitszeiten des Arbeitnehmers hätten führen können (vgl. BAG 15. Dezember 2022 - 2 AZR 162/22 - Rn. 15, NJW 2023, 1233).

(2) Nach diesen Grundsätzen hat die Arbeitgeberin das bEM ordnungsgemäß eingeleitet. Dem Einladungsschreiben vom 16. November 2022 lässt sich entnehmen, welche Ziele das bEM verfolgt, welche personenbezogenen Daten zu welchem Zweck verarbeitet werden und welche Personen hinzugezogen werden. Ferner war ein fünfseitiges Informationsblatt zum Ablauf des Verfahrens beigefügt.

Die Klägerin rügt, dass das bEM-Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Sie sei anfangs nicht darauf hingewiesen, dass sie auf die Hinzuziehung des Betriebsrats verzichten und die benötigten arbeitsmedizinischen Angaben auch über einen anderen Arzt ihres Vertrauens habe erbringen können. In dem Einladungsschreiben sei vielmehr festgelegt, dass - falls erforderlich - die Werksärztin (Frau D) dem bEM-Team angehöre. Eine Ablehnung der Werksärztin sei ihr nicht möglich gewesen, außerdem habe sie nur das von der Beklagten benannte Mitglied des Betriebsrats Herr E hinzuziehen dürfen.

Nach § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann. Der Zustimmungsvorbehalt des Arbeitnehmers bezieht sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut auf die Hinzuziehung der Interessenvertretung, das bedeutet, dass die Klägerin hätte widersprechen können, dass ein Mitglied des Betriebsrats zugegen ist (vgl. BAG 22. März 2016 - 1 ABR 14/14 - Rn. 29, NZA 2016, 1283; Greiner in Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Westphal/Krohne SGB IX 15. Aufl. § 167 Rn. 12e). Dem Gesetz lässt sich nicht entnehmen, dass die Klägerin insoweit ein Wahlrecht bezüglich der Person des Vertreters des Betriebsrats hat. Bei der Arbeitgeberin war es so, dass der Betriebsratsvorsitzende Teil des beM-Teams war. Dies ist objektiv nicht zu beanstanden. Die Klägerin hätte aber auch die Möglichkeit gehabt, vor Durchführung der bEM-Gespräche um die Anwesenheit einer anderen Person aus dem Betriebsrat zu bitten, wenn insoweit tatsächlich ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Person des Betriebsratsvorsitzenden bestanden hätten. Dies hat sie aber nicht getan. Sie trägt auch nicht ernsthaft vor, dass sie durch diesen vermeintlichen Fehler davon abgehalten worden wäre, an dem Verfahren teilzunehmen. Das Gegenteil ist der Fall, sie hat an dem Verfahren (freiwillig) teilgenommen. Ein Fehler in dem Verfahren kann somit nicht erkannt werden.

In dem Informationsblatt war unter Ziff. 4 auch die Möglichkeit eingeräumt worden, dass weitere Teilnehmer, die vom Arbeitnehmer benannt werden, an dem Prozess teilnehmen können. Im Ergebnis hat auch die Tochter der Klägerin an dem bEM teilgenommen. Offensichtlich hätte es der Klägerin deshalb auch offen gestanden, ein anderes Mitglied des Betriebsrats als Vertrauensperson zu benennen.

Hilfsweise ist darauf abzustellen, dass sich ein solcher Fehler - unterstellt, es handele sich überhaupt um einen Verfahrensfehler - hier nicht kündigungsrechtlich auswirken würde. Angesichts der unterschiedlichen sozial- und kündigungsrechtlichen Bedeutung des bEM haben jedenfalls nicht alle Verfahrensfehler bei seiner Durchführung Bedeutung für eine später ausgesprochene Kündigung (vgl. BAG 15. Dezember 2022 - 2 AZR 162/22 - Rn. 15, NJW 2023, 1233). Die Klägerin trägt nicht im Ansatz vor, dass bei der Anwesenheit eines anderen Betriebsratsmitglieds das Ergebnis des Verfahrens hätte anders ausfallen können.

Nach dem Gesetzeswortlaut besteht auch kein Wahlrecht in Bezug auf die Hinzuziehung eines Werksarztes. Der Zustimmungsvorbehalt in § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX findet sich nicht in § 167 Abs. 2 Satz 3 SGB IX, dort heißt es (nur), dass der Werks- oder Betriebsarzt, soweit erforderlich, hinzugezogen wird (vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 35, NZA 2015, 612). Die Hinzuziehung eines Werksarztes hängt damit - wenn die grundsätzliche Zustimmung zu einem bEM erst einmal vorliegt - nicht mehr davon ab, ob der Arbeitnehmer mit der konkreten Beteiligung des Arztes einverstanden ist (vgl. Schmidt in Schmidt, Gestaltung und Durchführung des BEM 3. Aufl. Kap. A Rn. 10 4 ff.).

cc) Auch sonst ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin als mildere Alternative gegenüber der Beendigungskündigung auf einem anderen Arbeitsplatz leidensgerecht beschäftigt werden könnte. Die Klägerin berücksichtigt zu wenig, dass ein leidensgerechter Arbeitsplatz nur dann angenommen werden kann, wenn eine Beschäftigung dort eine positive Gesundheitsprognose aufgrund objektiver Umstände rechtfertigen würde.

(1) Die Klägerin hat zwar über einen langen Zeitraum in der Produktion bzw. Montage gearbeitet. Nach ihrer eigenen Darstellung kann sie aber nicht mehr als fünf kg heben. Die dortigen Arbeitsplätze kann sie daher krankheitsbedingt nicht mehr ausfüllen.

(2) Zuletzt war die Klägerin auf einer Art Schonarbeitsplatz in der Produktion eingesetzt, bei dem sie nur sitzend tätig war und nicht schwer heben musste. Die Klägerin hat auch dort nach kurzer Zeit wieder Zeiten der Arbeitsunfähigkeit aufgewiesen. Dies indiziert, dass dort keine längerfristige positive Prognose gegeben war.

Die Wiedereingliederung glückte zwar, doch war die Klägerin kurze Zeit danach auch auf diesem Arbeitsplatz wieder arbeitsunfähig erkrankt.

Eine wesentliche Hürde besteht nicht darin, dass auf dem Arbeitsplatz in Schichtdienst gearbeitet werden muss. In der Folge stritten die Parteien über die Frage, ob die Klägerin im Schichtbetrieb eingesetzt werden könne. Nach einer ärztlichen Bescheinigung vom 11. Mai 2023 sei die Klägerin krankheitsbedingt nicht für den Schichtdienst geeignet (Bl. 172 der Vorakte). Dies ist von der Arbeitgeberin bestritten worden. Sie hat geltend gemacht, dass es in der Produktion, bis auf eine Ausnahme, keine Arbeitsplätze gibt, die nicht im Schichtbetrieb betrieben werden. Vor der Wiedereingliederung ist die Klägerin per E-Mail darauf hingewiesen worden, dass sie sich im Schichtdienst zu melden habe. Nach dem Vortrag der Arbeitgeberin habe die Klägerin auch abwechselnd in der Früh- und der Spätschicht (ab 14 Uhr) gearbeitet, nicht aber in der Nachtschicht. Nach dem gesamten Akteninhalt lässt sich nicht nachvollziehen, warum es der Klägerin krankheitsbedingt nicht möglich sein soll, abwechselnd in der Früh- und Spätschicht zu arbeiten. Es ist nicht im Ansatz ersichtlich, ob dies mit psychischen oder physischen Ursachen im Zusammenhang stehen könnte. Der bloße Umstand, dass die Klägerin zuletzt bei der Arbeit in der Wareneingangskontrolle nicht im Schichtdienst gearbeitet hat, kann jedenfalls nicht dazu führen, dass ein solcher Einsatz einem Arbeitnehmer unzumutbar ist. Die bloße Gewöhnung an bestimmte Arbeitszeiten beschneidet nicht das Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 GewO. Hinzu kommt, dass sich die Klägerin mit dem Arbeitsplatz gemäß der Wiedereingliederungsmaßnahme ausdrücklich einverstanden erklärt und ihn auch als leidensgerecht angesehen hatte (E-Mail vom 8. März 2023). Zwar hat die Klägerin pauschal bestritten, dass sie im Schichtdienst gearbeitet hat. Die Beklagte hat über ihren Prozessbevollmächtigten allerdings mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2023 (Bl. 141 der Vorakte) genau vorgetragen, an welchen Tagen sie in Früh- und in Spätschicht gearbeitet hat. Dies ist nicht substantiiert bestritten worden (§ 138 Abs. 2, 3 ZPO).

Hilfsweise ist anzunehmen, dass es gegen eine positive Prognose spricht, wenn die Klägerin - wie sie behauptet - aus medizinischer Sicht nicht in Wechselschicht arbeiten könnte. Wäre dies zutreffend, wäre sie für diesen Arbeitsplatz gesundheitlich ungeeignet. Es kann auch nicht angenommen werden, dass es der Arbeitgeberin hier zumutbar war, die Klägerin ausnahmsweise außerhalb eines Wechselschichtmodells einzusetzen. Nach ihrem nicht substantiiert in Abrede gestellten Vortrag arbeiteten alle Mitarbeiter in der Produktion in einem Schichtmodell. Eine einzige Ausnahme wird nur gemacht in Bezug auf die weibliche Vertrauensperson des Betriebsrats Frau H. Es versteht sich von selbst, dass die von der Klägerin erledigten Zuarbeiten in der Produktion sich am sonstigen Arbeitsrhythmus der Abteilung orientieren müssen. Eine Ausnahme zugunsten der Klägerin wäre der Arbeitgeberin hier nicht zuzumuten.

Angesichts der ganz erheblichen Fehlzeiten der Klägerin in der Vergangenheit kann auch nicht nachvollzogen werden, dass es sich bei der Tätigkeit auf dem neuen Arbeitsplatz in der Produktion, selbst wenn dieser außerhalb eines Schichtdienstes erfolgte, um eine leidensgerechte Beschäftigung handeln könnte. Bei der Klägerin liegt ein diffuses Krankheitsbild zugrunde. Die multipolaren Ursachen führen aufgrund der Konstitution der Klägerin, wie die letzten Jahre gezeigt haben, immer wieder zu Ausfallzeiten. Die Klägerin wies auch hohe Fehlzeiten in der Wareneingangskontrolle auf, wobei sie in dieser Zeit unstreitig nicht im Schichtdienst gearbeitet hat. Dies spricht im erheblichen Maße dagegen, dass die Klägerin selbst bei einer Tätigkeit außerhalb eines Schichtdienstes zukünftig keine Arbeitsunfähigkeitszeiten aufweisen werde.

(3) Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend angenommen, dass es auch in der Wareneingangskontrolle keinen alternativen leidensgerechten Arbeitsplatz mehr gibt.

Die Arbeitgeberin hat in dieser Hinsicht behauptet, dass die Klägerin bereits fachlich die dort nunmehr herrschenden Anforderungen nicht erfüllen könnte, zumal sie der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sei. Davon geht auch das Gericht aus. Die Klägerin beruft sich zwar darauf, dass die Tätigkeit durch die Neuerungen sogar einfacher geworden sei. Die Klägerin räumt im Zusammenhang mit ihrem hilfsweisen Beschäftigungsantrag ein, dass sie jedenfalls nach einem Lehrgang in der Lage sei, die Arbeit in der Qualitätskontrolle auszuführen. Dabei geht sie aber nicht auf den konkreten Sachvortrag des Arbeitgebers ein, dass sie Probleme mit der deutschen Sprache habe.

Im Übrigen müsste ein Arbeitsplatz in der Wareneingangskontrolle auch frei sein. Dies ist hier nicht ersichtlich. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, hier also der 30. Mai 2023. Soweit die Klägerin vorträgt, dass Stellen in der Wareneingangskontrolle im Nachhinein besetzt worden seien, bleibt im Dunkeln, auf welchen Zeitpunkt sich das beziehen soll.

Hilfsweise wird zugrunde gelegt, dass es sich hierbei auch nicht um einen leidensgerechten Arbeitsplatz handelt, bei dem eine positive Gesundheitsprognose zu stellen sei. Dies ergibt sich daraus, dass die Klägerin über Jahre auf diesem Arbeitsplatz gearbeitet hat und in jedem Jahr weit überdurchschnittliche Fehlzeiten, jeweils mehr als sechs Wochen im Jahr, aufwies. Die Klägerin äußerte zwar den Wunsch, auf diesen Arbeitsplatz „zurückversetzt“ zu werden. Sie macht aber nicht deutlich, aus welchen Gründen dies eine angemessene und leidensgerechte Beschäftigung darstellen soll. Im Jahr 2021 hat sie an keinem einzigen Arbeitstag gearbeitet. Zu diesem Zeitpunkt war auch noch nicht im Streit, ob sich etwas an der Arbeitspflicht aufgrund des Weiterbeschäftigungsantrags geändert hat. Zwar ist es zutreffend, dass dieser Arbeitsplatz relativ schonend ist, da dort nicht im Schichtbetrieb gearbeitet wird und auch keine schweren Lasten zu heben sind. Umso eher wäre erklärungsbedürftig, weshalb die Klägerin auch auf diesem Arbeitsplatz enorme Fehlzeiten aufwies.

Auf den Umstand, dass die Arbeitgeberin nach Darlegung der Klägerin rechtsmissbräuchlich handelte, indem sie sie aufgrund das fehlerhaft gestellten Weiterbeschäftigungsantrags im Kündigungsschutzverfahrens von der Wareneingangskontrolle in die Produktion versetzte, kommt es im Hinblick auf die negative Prognose und den Ausgang dieses Kündigungsschutzverfahrens nicht erheblich an.

c) Schließlich geht die Interessenabwägung zulasten der Klägerin aus.

Zu ihren Gunsten spricht zwar, dass sie seit 1988 im Betrieb ist und damit knapp 33 Jahre im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung. Bei der Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin nicht gesund war, sondern, wie sich rückwirkend herausgestellt hat, einem schwebenden Menschen gleichzustellen ist. Die Klägerin war zur Zeit des Ausspruchs der Kündigung 55 Jahre alt. Auch dies spricht im Rahmen der sozialen Abwägung zu ihren Gunsten.

Zulasten der Klägerin spricht allerdings der Umstand, dass sie bereits über viele Jahre hinweg ganz erhebliche und weit überdurchschnittliche Krankheitszeiten aufwies. Das Arbeitsverhältnis war bereits im Jahr 2011 gestört, dort hatten die Parteien erstmals einen Arbeitsgerichtsprozess geführt. Die Arbeitgeberin musste in jedem Jahr weitaus mehr als sechs Wochen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leisten. Im Jahr 2021 hat die Klägerin keinerlei Arbeitsleistung erbracht. Selbst wenn man eine rückwärtige Perspektive von 10 Jahren zugrunde legte, ergibt sich im vorliegenden Fall eine erhebliche Störung des Äquivalenzverhältnisses im Arbeitsverhältnis. Auf Dauer ist dies der Arbeitgeberin nicht mehr zuzumuten.

II. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf (weitere) Beschäftigung bei der Beklagten gemäß der §§ 611a, 242 BGB. Insoweit sind die Anträge zu 1. und 1a, die auf eine leidensgerechte Beschäftigung abzielen, unbegründet. Das Arbeitsverhältnis ist aufgrund der Kündigung vom 30. Mai 2023 mit Ablauf des 31. Dezember 2023 beendet worden.

III. Der Feststellungsantrag zu 2., mit dem die Klägerin die Feststellung begehrt, dass sie nicht verpflichtet sei, im Schichtbetrieb zu arbeiten und ihre tägliche Arbeitszeit von 7:00 Uhr bis 15:30 Uhr beträgt, ist bereits unzulässig. Ein anzuerkennendes Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO bezüglich einzelner Arbeitsbedingungen besteht nicht mehr, wenn das Arbeitsverhältnis beendet worden ist. Dies würde auf ein reines Rechtsgutachten hinauslaufen.

IV. Die Klägerin kann auch nicht verlangen, dass die Abmahnungen vom 25. Juli 2022 und die beiden Abmahnungen vom 1. August 2022 aus der Personalakte entfernt werden. Wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat, gibt es hierfür kein Rechtsschutzbedürfnis, nachdem das Arbeitsverhältnis beendet worden ist.

V. Die Klägerin kann auch nicht verlangen, dass die Beklagte an sie 2.306 Euro für den Zeitraum 28. Juni bis 31. Juli 2022 zahlt.

1. Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 611a Abs. 2 BGB, da die Klägerin zu dieser Zeit keine Arbeitsleistung erbracht hat.

2. Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 3 EFZG, da die Klägerin in der Zeit - nach ihren Angaben - nicht arbeitsunfähig erkrankt war.

3. Der Anspruch folgt auch nicht aus § 615 BGB i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend angenommen hat, ist die Beklagte grundsätzlich in Annahmeverzug geraten, da die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28. Juli 2021 gekündigt hatte. Der Kündigungsschutzklage ist mit Urteil vom 6. April 2022 - 11 Ca 566/21 - stattgegeben worden. Im Prozess ist die Beklagte dazu verurteilt worden, die Klägerin als Montagehelferin weiterzubeschäftigen. Dieser Titel war für die Arbeitgeberin durchaus beachtlich und zunächst verbindlich.

Die Voraussetzungen des Annahmeverzuges lagen bei dieser Sachlage nicht vor, weil die Klägerin gemäß § 297 BGB außerstande war, als Montagehelferin beschäftigt zu werden. Durch das Urteil war die Art und Weise der Beschäftigung der Klägerin zunächst vorgegeben. Die Klägerin konnte allerdings die Tätigkeit einer Montagehelferin - wie sie selbst vorträgt - aus gesundheitlichen Gründen gar nicht erbringen. Bei dem Antrag hat sie sich nach eigenen Angaben geirrt. Es wäre Sache der Arbeitgeberin gewesen, durch die erneute Ausübung ihres Weisungsrechtes nach § 106 GewO für eine leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeit der Klägerin zu sorgen. Dies ist zu diesem Zeitpunkt indes nicht passiert.

Auch in der Folgezeit hat sich die Arbeitgeberin auf den Standpunkt gestellt, dass es richtig sei, die Klägerin gemäß dem Antrag in dem Kündigungsschutzprozess in der Produktion als Montagehelferin zu beschäftigen. Mit Schreiben vom 9. Juni und 21. Juli 2022 forderte die Arbeitgeberin die Klägerin auf, gemäß dem titulierten Weiterbeschäftigungsanspruch ihre Tätigkeit im Betrieb wiederaufzunehmen. Damit hat sie von ihrem Weisungsrecht nach § 106 GewO Gebrauch gemacht.

Auch insoweit gilt, dass die Klägerin keinen Annahmeverzugsanspruch wegen einer unterbliebenen Beschäftigung in der Wareneingangskontrolle hat, solange der Arbeitgeber die Beschäftigungspflicht kraft seines Direktionsrechts nicht auf eine Beschäftigung in der Wareneingangskontrolle konkretisiert. Unterlässt es der Arbeitgeber schuldhaft, dem Arbeitnehmer eine leidensgerechte und vertragsgemäße Arbeit zuzuweisen, kann dies lediglich einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB begründen (vgl. BAG 14. Oktober 2020 - 5 AZR 649/19 - Rn. 28, NZA 2021, 406). Der Arbeitnehmer kann aber nicht direkt auf Vergütung aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs klagen. Kann der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts wirksam näher bestimmte Tätigkeit aus in seiner Person liegenden Gründen nicht mehr ausüben, aber eine andere im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarung liegende Tätigkeit verrichten, ist das Angebot einer anderen Tätigkeit ohne Belang, solange der Arbeitgeber nicht durch eine Neuausübung seines Direktionsrechts diese zu der i.S.v. § 294 BGB zu bewirkenden Arbeitsleistung bestimmt hat. Andernfalls könnte der Arbeitnehmer den Inhalt der arbeitsvertraglich nur rahmenmäßig umschriebenen Arbeitsleistung selbst konkretisieren. Das widerspräche § 106 Satz 1 GewO (vgl. BAG 14. Oktober 2020 - 5 AZR 649/19 - Rn. 28, NZA 2021, 406).

V. Mit dem Antrag zu 5. begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die Beklagte für die aus den rechtswidrigen Arbeitsanweisungen vom 13. Juni, 21. Juni bis zum 27 Juni 2022 und vom 1. und 2. August 2022 erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen schadensersatzpflichtig sei. Auch dieser Antrag ist unbegründet.

Anspruchsgrundlage für einen solchen Schadensersatzanspruch sind die §§ 280 Abs. 1, 611a, 241 Abs. 2, 242 BGB. Unterlässt es der Arbeitgeber schuldhaft, dem Arbeitnehmer eine leidensgerechte und vertragsgemäße Arbeit zuzuweisen, kann dies u.U. einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB begründen (vgl. BAG 14. Oktober 2020 - 5 AZR 649/19 - Rn. 27, NZA 2021, 406).

Im Grundsatz teilt das Gericht die Ansicht der Klägerin, dass es an sich Sache der Arbeitgeberin gewesen wäre, die Klägerin den weniger belastenden Arbeitsplatz in der Wareneingangskontrolle, den sie zuletzt ab 2011 auch innehatte, wieder zuzuweisen. Allerdings ist hier auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin eben in dem vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren ihre Beschäftigung als Montagehelferin in der Produktion begehrt hatte. Von daher bestand aus objektiver Sicht der Arbeitgeberin eine unklare Lage, normalerweise kann man sich darauf verlassen, dass Anträge in einem gerichtlichen Verfahren nicht sinnentleert gestellt werden. Über die genauen gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin war die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt auch nicht informiert.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 9. August 2022 einen Antrag gestellt, es der Arbeitgeberin aufzugeben, die Klägerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren als Mitarbeiterin in der Wareneingangskontrolle zu beschäftigen. Erst mit diesem Antrag hat die Klägerin in deutlicher Art und Weise bekundet, dass ihr nicht an einer Beschäftigung als Mitarbeiterin in der Montage gelegen sei, sondern sie ausschließlich eine Beschäftigung auf ihrem alten Arbeitsplatz in der Wareneingangskontrolle wünsche. Zwar mag es sein, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bereits mit Schreiben vom 1. Juli 2022 darauf hingewiesen hat, dass die Arbeitgeberin gegen ihre Fürsorgepflicht verstoße. Damit wurde der aus Sicht der Beklagten entstandene Widerspruch allerdings nicht in eindeutiger Art und Weise ausgeräumt.

Die Klägerin macht in der Berufungsinstanz geltend, die Beklagte habe die Klägerin in Kenntnis ihrer Beeinträchtigung, insbesondere, dass sie keine Lasten über 5 kg heben sollte, zwei Tage in die Produktion eingesetzt. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Klägerin hat nämlich erst mit dem ärztlichen Attest vom 19. Dezember 2022 dargelegt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht Lasten über 5 kg heben dürfe (Bl. 60 der Vorakte). Mitte 2022 konnte dies die Beklagte noch nicht eindeutig erkennen.

Bei dieser Sachlage muss sich die Klägerin ein überwiegendes Verschulden nach § 254 Abs. 1 BGB anrechnen lassen. Sie hat durch die - wenn auch irrtümliche - Antragstellung den Eindruck erweckt, sie wolle in der Produktion beschäftigt werden. Die Beklagte hatte naturgemäß keine genauen Kenntnisse über den seinerzeitigen Gesundheitszustand der Klägerin. Die Klägerin hat ab dem 13. Juni 2022 auf dem Arbeitsplatz in der Montage auch zum Teil - bis 28. Juni 2022 - gearbeitet. Dies spricht indiziell für die Position der Arbeitgeberin, dass es sich insoweit um einen Arbeitsplatz handele, der zumindest auch leidensgerecht gewesen sei. Es ist daher im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden, wenn sie sich zunächst auf den Standpunkt stellte, dass nunmehr das durch die Klägerin erstrittene Urteil gelten müsse.

Die Klägerin hat auch vortragen lassen, dass sie an dem 25. Juli 2022 nicht zur Arbeit erschienen sei, weil sie nicht gewusst habe, ob das Urteil in dem Kündigungsschutzverfahren - 11 Ca 566/21 - rechtskräftig war. Dies war freilich unbeachtlich, da der Weiterbeschäftigungsanspruch ihr jedenfalls eine vorläufige Beschäftigung sicherte. Blieb die Klägerin der Arbeit fern, weil sie annahm, nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet zu sein, wäre auch im Sinne des Annahmeverzuges von Leistungsunwilligkeit auszugehen.

VI. Schließlich hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung einer sog. Corona-Prämie in Höhe von 1.000 Euro.

1. Der Anspruch ergibt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag. Dort ist ein solcher Anspruch nicht niedergelegt.

2. Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus einer Kollektivvereinbarung, z.B. aus einer Betriebsvereinbarung. Hierauf beruft sich die Klägerin nicht.

3. Einziger Anknüpfungspunkt für einen Anspruch auf Zahlung der Corona-Prämie ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz.

Die Kammer hat keinen Zweifel an den Ausführungen der Beklagten, dass die Auszahlung der Corona-Prämie nicht an alle Mitarbeiter nach dem Gießkannenprinzip verteilt worden ist, sondern an Bedingungen geknüpft wurde. Da es sich um eine freiwillige Leistung handelt, auf die weder aus Arbeitsvertrag noch aus Kollektivregelungen ein Anspruch bestand, kann der Arbeitgeber die Auszahlung von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen. Diese Voraussetzungen waren, dass ein Arbeitnehmer in der Zeit vom 1. März 2021 bis zum 28. Februar 2022 mindestens einen Tag zur Arbeit erschienen ist. Ferner müsse er sich in ungekündigter Position befinden. Damit sollte die zusätzliche Belastung durch das Tragen von FFP 2 Masken abgegolten werden. Bei einer Corona-Prämie ist es überaus naheliegend, dass der Arbeitgeber solche sachbezogenen Anforderungen aufstellt.

Dazu verhält sich die Berufungsbegründungschrift mit lediglich dem Satz, dass die Klägerin mit Nichtwissen bestreitet, dass die Prämie nur an Mitarbeiter ausgezahlt wurde, die tatsächlich anwesend waren. Dies stellt keine hinreichende Auseinandersetzung mit dem Vortrag des Gegners nach § 138 Abs. 2, 3 ZPO dar. Die Klägerin hätte sich mindestens auch mit dem Argument des Arbeitsgerichts auseinandersetzen müssen, dass sie Arbeitnehmer hätte benennen müssen, an die die Prämie ausgezahlt worden ist, obwohl sie wie die Klägerin in der besagten Zeit nicht gearbeitet hätten. Der Vortrag der Klägerin ist insgesamt zu unsubstantiiert. Die Klägerin benennt noch nicht einmal, in welchem Kalenderjahr die Auszahlung erfolgt sein soll. Im Übrigen hat sie nicht bestritten, dass die Arbeitgeberin das Erfordernis aufgestellt hat, das sich Mitarbeitern in ungekündigter Position befinden mussten. Auch dies war im Falle der Klägerin nicht gegeben.

C. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, liegt nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vor.

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